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Marktanalyse: Wie entwickelt sich der aktuelle deutsche Vollblutmarkt?

Der deutsche Galopprennsport kämpft mit einer Vielzahl von Herausforderungen: zu wenige Zuchtstuten, zu wenige Besitzer, zu niedrige Rennpreise und vielem mehr. Die Liste der Probleme wächst kontinuierlich. Jahr für Jahr werden zahlreiche Kennzahlen veröffentlicht, die oft Trends aufzeigen, aber die zugrunde liegende Situation bleibt zäh. Ich habe mir speziell den aktuellen Vollblutmarkt anhand der Auktionsergebnisse und Pferdestruktur in Deutschland genauer angeschaut, um die Lage realistisch einzuschätzen zu können.



"Finish im Arc" - (Foto: Frank Sorge)
"Finish im Arc" - (Foto: Frank Sorge)


Internationalität auf den Auktionen: Eine zweischneidige Angelegenheit


Die zunehmende Internationalisierung, insbesondere bei Auktionen im Niedrig- und mittlerweile auch Mittelpreissegment, sorgt für gemischte Gefühle. Käufer aus Regionen wie Osteuropa, Asien und Nordafrika stellen mittlerweile eine große Herausforderung für viele Anbieter dar. Häufig hört man vor Ort, dass man lieber auf den Verkaufspreis verzichtet, solange das Pferd in Deutschland bleibt. Der Grund dafür liegt nicht nur an den Züchterprämien.


Der Markt für Pferde im Training: Ein schwieriges Umfeld


Besonders hart trifft es derzeit den Markt für Pferde im Training. Auch wenn dieser Markt im Ausland ähnlich schwierige Bedingungen vorfindet, scheint er in Deutschland fast ausgestorben zu sein. Pferde wechseln gelegentlich innerhalb des gleichen Stalls ihren Besitzer, wenn der Trainer noch Potenzial für Verbesserungen sieht.


In den letzten Jahren hat sich der Markt für „normale Handicapper“ auf den Auktionen stark verschlechtert. Die Pferde werden oft wie Zwangsverkäufe angeboten – primär in das östliche Ausland und nur selten im Inland.


Warum bleiben so wenige Pferde in Deutschland?


Es ist allgemein bekannt, dass der Rennsport mit erheblichen Kosten verbunden ist. Und ebenso, dass der Rennsport eine Liebhaberei ist und definitiv auch bleiben sollte. Doch die aktuelle Marktlage lässt wenig Spielraum, um in ein gesundes Mittelklassepferd zu investieren, ohne eine Unsumme an Geld wortwörtlich zu verbrennen. Die Rennpreise, vor allem in den Klassen Ausgleich IV und Ausgleich III, sind einfach zu niedrig, um nur ansatzweise irgendwie kostendeckend zu arbeiten.


Warum werden dennoch hohe Summen für Jährlinge bezahlt?


Der Jährlingsmarkt ist nach wie vor ein Bereich, der von Spekulation und Hoffnungen geprägt ist. Die Pferde sind jung und oftmals unversehrt und in jedem Jährling könnte der nächste „Rohdiamant“ stecken, der nur darauf wartet, geschliffen zu werden. Besonders auch durch die hochdotierten Auktionsrennen gibt es für junge Pferde zahlreiche Anreize, um die Gewinnsumme rapide nach oben zu schrauben.


Zu dem sind es gerade auch die internationalen Decktaxen der Tophengste, die einige Jährlingspreise gewaltig erscheinen lassen. Sieht man sich einmal den Multiplikator der Decktaxen einiger Tophengste nach den Jährlingsverkäufen genau an, wird man ernüchternd feststellen, dass sich dieser in einem vergleichsweise uninteressantem Korridor befindet.


Doch auch das Mittelpreissegment wird zunehmend ausgedünnt. Züchter sind oft froh, wenn sie ihre Decktaxe zumindest zurückerhalten, da die gestiegenen Unterbringungskosten wenig Spielraum für Gewinne lassen.


Sammarco beim Sieg im 153. Deutschen Derby (Foto: Frank Sorge)
Sammarco beim Sieg im 153. Deutschen Derby (Foto: Frank Sorge)


Die Rolle ausländischer Startpferde


Einige deutsche Trainer, wie etwa Frank Fuhrmann und Marian Falk Weißmeier, sind regelmäßig bei den Tattersalls HIT- und Goffs HIT-Auktionen anzutreffen. Sie kaufen gezielt günstige Startpferde, mit interessantem Rating und Profil für deutsche Rennen. Besonders der Markt für ausländische Sprintpferde ist aufgrund der stark steherlastigen Zucht in Deutschland von Interesse.


Leider hat die Einführung von hohen Einfuhrgebühren durch Deutscher Galopp dieses „Ausland-Shopping“ für deutsche Trainer erheblich erschwert. Ich halte das für einen falschen Schritt. Der deutsche Galopprennsport muss in der aktuellen Situation jedes Startpferd begrüßen und ohne Trainer wie Frank Fuhrmann wären sicherlich einige Renntage im letzten Jahr nicht zustande gekommen.


Was kann getan werden?


Langfristig muss eine nachhaltige Lösung gefunden werden. Sofortige Anpassungen der Preisgelder in den Handicaprennen mögen wünschenswert sein, jedoch würden sie nicht zu einem gesunden Wachstum führen. Die verpassten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte lassen sich nicht über Nacht beheben. Doch es gibt Möglichkeiten, die finanzielle Lage zu stabilisieren und auf lange Sicht nachhaltig zu wachsen. Eine jährliche, inflationsbereinigte festgelegte und gestaffelte prozentuale Steigerung der Preisgelder könnte, ähnlich wie ein Zinseszinseffekt, zu einer gesunden und stabilen Basis führen. Eine solide Finanzierung und damit auch ein erhebliches Investment ist hierbei entscheidend.


Ein wichtiger Gedanke darf nie vergessen werden: Der Top-Jährling von heute könnte das Handicap-Pferd von morgen sein.


J.S.

 
 
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