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Diese Zuchtgrundsätze entscheiden über Erfolg - Die Arbeit von Federico Tesio

Die bekanntesten Vollblutlinien der Welt gehen auf die Arbeit von Federico Tesio zurück. In der Geschichte der Vollblutzucht gab es viele Ansätze, doch nur wenige haben sie wirklich revolutioniert. Breeding the Racehorse basiert auf Tesios Prinzipien und bietet einen über Jahrzehnte erprobten und fundierten Ansatz für Besitzer und Züchter.




Frederico Tesio 1912 (Quelle: Wikipedia)
Frederico Tesio 1912 (Quelle: Wikipedia)

Es ist entscheidend, den Ursprungsgedanken einer Anpaarung zu verstehen. Daher beginne ich genau mit diesem Gedanken meine Recherchen in den Auktionskatalogen. Einige verlassen sich auf Modeerscheinungen: populäre Anpaarungen, hohe Decktaxen oder kurzfristige Auktionstrends. Das muss nicht primär der falsche Ansatz sein, kann aber langfristig zu einigen Zuchtfehlern und Fehlkäufen führen. Die Tesio-Regeln hingegen zeigen, dass langfristiger Erfolg auf anderen Grundlagen beruht: genetische Ausgewogenheit, strukturelle Gesundheit und strategische Linienzucht.


Die hier vermittelten Prinzipien sind die Basis moderner Zuchtstrategien – von der optimalen genetischen Kombination bis zur gezielten Stärkung leistungsstarker Stutenstämme.


Ebenso haben die Arbeiten von Federico Tesio zahlreiche Zuchtmythen widerlegt. Beispiele dafür sind Aussagen wie:

- „Die Beste mit dem Besten ergibt das Beste“

- „Hohe Decktaxen garantieren Erfolg“

- „Vollgeschwister leisten Ähnliches“

- „Exterieur allein entscheidet über Potenzial“


Einige Vollblutagenten stehen Tesios festen Thesen heutzutage zwiespältig gegenüber. Besonders in Interviews wird das Exterieur von Pferden oft überbewertet, was nicht zwingend Tesios Philosophie entspricht. Zwei herausragende Beispiele, die das Exterieur in den Hintergrund stellen, sind:


1. Wootton Bassett – ein Champion mit einer beeindruckenden Rennkarriere und exzellenter Vererberqualität. Sein Exterieur ist jedoch alles andere als makellos. Vielmehr ist sein Erfolg das Ergebnis einer durchdachten und ausgewogenen Linienzucht.


2. Highfield Princess – eine herausragende Top-Sprintstute, die trotz sichtbarer Exterieurmängel auf Gruppe-I-Niveau erfolgreich war. Ihre Leistung widerlegt die Annahme, dass ein perfektes Exterieur Voraussetzung für Erfolg ist.


Mit der zunehmenden Fokussierung auf frühreife Pferde orientieren sich einige Agenten und Trainer stärker an der Konformation. Der Rennsport wird immer schneller, anspruchsvoller und teurer, wodurch sich auch die Selektionskriterien verändern.



Wootton Bassett (Quelle: Coolmore Stud)
Wootton Bassett (Quelle: Coolmore Stud)

Tesio zeigt ebenfalls auf, warum bestimmte Zuchtansätze oft scheitern. Er erklärt, warum gründliche Pedigree-Analysen, gezielte genetische Kombinationen und eine durchdachte Stutenauswahl den entscheidenden Unterschied ausmachen:

- Durchdachte Kombinationen statt blindem Trendfolgen

- Optimale Balance zwischen Outcrossing und Inzucht

- Stärkung bewährter Stutenstämme für nachhaltigen Erfolg


Zucht ist zweifellos eine Zockerei mit immer höherem Einsatz. Es geht darum, Wahrscheinlichkeiten gezielt zu steuern und genetische Schwachstellen gezielt auszugleichen.


Grundsätzlich rate ich dazu, Auktionstrends nicht völlig zu ignorieren, da sie insbesondere in kleinen/schwachen Märkten wie beispielsweise in Deutschland über den Erfolg auf einer Auktion entscheiden können. Dennoch sollte man sich nicht allein an hohen Decktaxen orientieren. Die Bedeutung der Mutterfamilie halte ich nach wie vor für ausschlaggebend. Die Anzahl der Deckhengste bleibt hoch, ebenso wie die Zahl jener Hengste, die trotz solider Nachkommen aussortiert werden, weil sie nicht den Anforderungen der großen Gestüte entsprechen. Dies geschieht oft voreilig und insbesondere in Gestüten, die ihre eigenen Hengste nicht mit hochqualitativem Stutenmaterial versorgen.


Gerade deshalb ist die Qualität der Mutterfamilie entscheidend – denn die Deckhengste waren in der Regel herausragende Rennpferde. Doch es gibt Ausnahmen: Kendargent war kein Spitzenrennpferd und begann seine Deckkarriere mit einer extrem geringen Decktaxe und schwachen Stutenmaterial. Dennoch entwickelte er sich zu einem der einflussreichsten Vererber der letzten Jahrzehnte.


Ein solides Pedigree muss eine klare Entwicklungsrichtung aufzeigen. Es reicht nicht, nur die ersten ein bis zwei Generationen zu betrachten. Erfolgreiche Trainer und Agenten analysieren weiter zurückliegende Generationen, um die strategischen Überlegungen hinter einer Anpaarung zu verstehen. Besonders die Inzucht auf Sadler's Wells ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Derzeit werden einige Deckhengste mit aktiver Outcrossingmöglichkeit beworben. Hier gilt es, eine ausgewogene Balance zwischen der Verstärkung positiver Merkmale durch Inzucht und der Reduktion unerwünschter Eigenschaften durch beispielsweise genetische Diversität mithilfe von Outcrossing zu finden. Jede Stute muss hierbei zwingend individuell betrachtet werden. So nutzte beispielswiese Tesio aktives Outcrossing für die hocherfolgreichen Pferde Nearco und Ribot.


Zuchtplanung sollte im besten Falle nicht kurzfristig und emotional erfolgen. Ich selbst denke beispielsweise bei Rennpferden im Training nicht nur an das nächste Rennen, sondern viel mehr an das übernächste. Genauso verhält es sich mit der Zucht: Idealerweise existiert bereits ein (grober und dynamischer) mehrjähriger Plan für die Anpaarung einer Stute, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Denn nur mit dem notwendigen Weitblick lassen sich sowohl im Rennstall als auch in der Zucht nachhaltige Erfolge erzielen.


J.S.


 
 
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